Archiv für den Monat: März 2014

Tagebuch vom 23.03.2014

Seit Februar 2014 veröffentliche ich auf Facebook regelmäßig kleine Leseproben aus „DIE CHRONISTIN DER STAUFER“. Hier sind die ersten fünf:

 

1

„Woher wisst Ihr, dass mein … dass unser Vater ein Ministerial der Welfen ist?“, fragte Henrike verwundert.
„Euer Mantel“, erklärte Friedrich. „Die Farbgebung und das Wappen verraten Euch. Ihr seid noch zu jung, um selbst ein Ministerial zu sein. Daher vermutete ich, dass Euer Vater Euch den Mantel geliehen hat. Oder Ihr habt ihn gestohlen.“
„Jetzt habt Ihr mich erwischt“, scherzte Henrike und dachte an das Blut, das sie in aller Eile von ihren Händen gewaschen hatte, bevor sie in den Mantel geschlüpft und aus dem Haus geflohen war.

 

2

Maria stand auf und ging zum Feuer.
„Ich bin gerne eine Hure, denn es ist meine Natur. Mein ganzes Leben lang wollten Menschen mich verändern. Mir einreden, wie böse ich sei. Aber für mich ist es keine Schande, eine Hure zu sein, sondern Freiheit. Eine Gelegenheit, ich selbst zu sein.“
„Ich bin nicht wie du“, sagte Henrike.
„Und trotzdem wirst du als Hure arbeiten, meine Prinzessin“, entgegnete Maria. „Entweder mit dem Sohn eines Edelmannes, den du dir selber aussuchen darfst, oder mit dem fetten Bauern, den ich dir aufzwingen werde. Die Entscheidung liegt bei dir.“

 

3

Hinter dem Tisch fand ein Thron seinen Platz und auf dem mächtigen Stuhl saß ein Greis, ein Riese von einem Mann, der einen abgewetzten Mantel trug. Dünne und dicke Ranken hatten sich um die Beine des Alten geschlungen wie Seile, mit denen jemand den Fremden an den Stuhl gefesselt hatte. Seine Hände, wahre Pranken, ruhten auf den Armlehnen und wirkten, als wären sie mit diesen verwachsen. Rotblondes Haar fiel dem Mann auf die breiten Schultern. Das Gesicht war faltig und aschfahl, nur die Augen stachen hervor, die hell leuchteten. Am meisten beeindruckte Friedrich jedoch der Bart des Alten, der kupferrot war und so lang, dass er wie ein Wasserfall auf die Tischplatte fiel und sich dort mit den Ästen zu einem bizarren Teppich verwoben hatte. Wie die Strahlen der Sonne hatte sich der Bart in alle Richtungen ausgebreitet, reichte bis zum Boden und floss von dort noch weiter.
„Wer seid Ihr?“, verlangte Friedrich zu wissen.
„Man nennt mich Rotbart“, erwiderte der Alte.

 

4

„Was schnüffelst du hier herum?“, zischte eine Stimme.
Rasch sprang Henrike auf und hielt das Messer vor sich.
Neben ihr tauchte eine dürre Gestalt auf, gekleidet in einen Mantel aus bunten Fetzen. Klauenhände rissen einen Schleier beiseite, hinter dem eine hässliche Fratze lauerte. Facies leonina – von so nahe hatte Henrike noch nie eine Aussätzige gesehen. Die Frau hatte weder Haare, noch Augenbrauen oder Wimpern, ihre Haut sah schrumpelig und fleckig aus. Hässliche, tiefe Falten verliefen wie Schnitte unter ihren Augen. Statt einer Nase klafften zwei Löcher mitten im Gesicht. Vereinzelt ragten krumme Zahnstumpen aus dem Mund.

 

5

„Abfackeln sollten wir den ganzen Rattenbau“, knurrte einer seiner Begleiter.
Friedrich verharrte reglos auf seinem Pferd.
Wie sollte er den Blutdurst dieser Männer zügeln? Sie kamen ihm vor wie ein Rudel wilder Hunde, das er von der Leine lassen sollte.
Unvermittelt spürte Friedrich eine sanfte Hand auf seiner Schulter.
„Wollt Ihr, dass ich den Angriff anführe?“, fragte Otto.
Im Halbdunkel der anbrechenden Nacht wirkte der Wittelsbacher einmal mehr wie Friedrichs dunkler Zwillingsbruder, dessen Haar im Licht der versinkenden Sonne blutrot leuchtete.
Stumm nickte Friedrich.

 

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