Neu erschienen ist die Geschichtensammlung „Die Kinder der Sonnenfinsternis“ (Herausgeber: Oliver Hohlstein) mit meiner Kurzgeschichte „Anderssein“.
11. August 1999, die letzte totale Sonnenfinsternis des 20. Jahrhunderts. Nostradamus prophezeite einst, dass „Im Jahr 1999 der große Schreckenskönig vom Himmel kommen wird“. Doch Armageddon bleibt aus. Erst mehr als fünfzehn Jahre später zeigen sich die Auswirkungen dieses Ereignisses. Jugendliche entwickeln ungewöhnliche Fähigkeiten. Manche halten es für Magie. Andere sprechen von Mutationen. Für viele ist es das Böse schlechthin. Doch im Grunde sind es Kinder … die Kinder der Sonnenfinsternis.
Leseprobe:
Der Himmel sieht anders aus, irgendwie. Ein Flimmern – wie Luft über heißem Asphalt, denkt Nikhil, während er über den Gehsteig schlendert, die Hände in den Hosentaschen vergraben. Anders ist nicht gut, beschließt er, denn anders bedeutet unnötige Aufmerksamkeit und Gefahr. Jetzt zieht er die Hände aus den Taschen und rennt los. Er biegt nach links ab in die Seitengasse hinter der Werkstatt.
Dann bleibt die Zeit stehen. Das tut sie nicht wirklich – Nikhil hat gelernt, dass man mit solchen Formulierungen vorsichtig sein muss –, es kommt ihm nur so vor. Mit einem Blick erfasst er die Situation, die Beteiligten sind klar positioniert, wie Statuen. Das Mädchen liegt am Boden und auf der Wange sieht man einen roten Handabdruck. Die Finger, die zu dem Abdruck passen, gehören zu einem Mann in einem Designeranzug, der auf Zehenspitzen unmittelbar neben dem Mädchen steht. Hilflos hängt er in der Umklammerung eines jüngeren Mannes mit Irokesenschnitt, in dessen Augen Feuer lodert. Das ist nicht bildlich gemeint, sondern buchstäblich zu verstehen: Um den jungen Mann herum flirrt und tanzt und wabert die Luft.